
Inhaltsverzeichnis
- FAQs zum Thema Vormundschaft: Was bedeutet Vormundschaft, wie funktioniert eine Vormundschaft, was muss ich darüber wissen?
- Materialien zum Thema Vormundschaft aus unserem Workcamp: Vormundschaft neu Denken!
- Erklärvideo
- Kinderbuch: Frau Frühling hat 30 Kinder
- Fach-Buch für Fachkräfte
- Broschüre zur Vormundschafts-Rechtsreform
- Checkliste zum Übergang aus der Vormundschaft
1. Erklärung "Vormundschaft"
Eine Vormundschaft ist ein besonderes rechtliches Verhältnis. Dabei bekommt eine Person – der Vormund oder die Vormundin – die gesetzliche Aufgabe, wichtige Entscheidungen für ein Kind oder einen Jugendlichen zu treffen. Diese Person kümmert sich also zum Beispiel darum, welche Schule besucht wird, ob eine Operation erlaubt wird oder ob ein Vertrag unterschrieben wird.
Der Vormund oder die Vormundin ist rechtlich dafür zuständig, Dinge zu entscheiden, die normalerweise die Eltern entscheiden würden. Das unterscheidet sie oder ihn von Erzieher*innen oder Pflegeeltern: Diese kümmern sich um die tägliche Betreuung, das Zusammenleben und den Alltag – aber sie dürfen keine wichtigen rechtlichen Entscheidungen treffen.
Eine Vormundschaft ist wichtig, damit die Rechte und Interessen gut geschützt werden, wenn deine Eltern ihre Sorge nicht mehr wahrnehmen können.
Vormundschaften werden für Kinder und Jugendliche eingerichtet, deren Eltern aus verschiedenen Gründen nicht (angemessen) für sie sorgen können. Das kann passieren, wenn die Eltern versterben, schwer erkranken, nicht auffindbar sind, wenn ein Kind oder Jugendlicher ohne seine Eltern hierher geflüchtet ist oder wenn eine Familiengericht den Eltern die elterliche Sorge entzogen hat, weil das Kind gefährdet war.
Ein Vormund übernimmt viele Aufgaben, die normalerweise die Eltern eines Kindes haben. Dazu gehören:
- Sorge: Der Vormund entscheidet, wo das Kinder oder der Jugendliche lebt, welche Schule es besucht und wie es medizinisch versorgt wird. Der Vormund trifft auch weitere Entscheidungen, die dich betreffen, z.B. über die Kontakte zu deinen Verwandten, über die Mitgliedschaft in einem Verein du Mitglied wirst oder über eine Therapie. An solchen Entscheidungen muss das Kind oder der Jugendliche nach seinem Entwicklungsstand angemessen beteiligt werden und die Entscheidung muss immer im besten Interesse des Kindes oder des Jugendlichen getroffen werden.
Entscheidungen über alltägliche Angelegenheiten wie z.B. darüber, an welchen Tagen du im Verein aktiv bist, treffen deine Betreuer*innen in der Einrichtung oder deine Pflegeeltern.
- Finanzielle Verwaltung: Wenn das Kind oder der Jugendliche über Vermögen verfügt, verwaltet der Vormund auch die Finanzen. zahlt Rechnungen, sorgt dafür, dass das Mündel finanzielle Unterstützung bekommt (z.B. Kindergeld) und legt Geld im Interesse des Mündels an.
- Rechtliche Vertretung: Der Vormund vertritt das Mündel in allen rechtlichen Angelegenheiten. Das kann bedeuten, dass er Verträge für das Mündel abschließt, Anträge stellt oder den Mündel vor Gericht vertritt.
Es gibt verschiedene Formen der Vormundschaft, je nach Bedarf der betroffenen Person:
- Vormundschaft: Hier übernimmt der Vormund alle rechtlichen, persönlichen und finanziellen Angelegenheiten des Mündels. Diese Art der Vormundschaft ist am umfassendsten und wird vor allem dann angeordnet, wenn keine Eltern mehr da sind, die dich betreuen können.
- Ergänzungspflegschaft: Wenn deine Eltern noch leben, aber in bestimmten Bereichen nicht angemessen für dich sorgen, wird eine Ergänzungspflegschaft eingerichtet. Der/die Ergänzungspfleger:in übernimmt dann nur bestimmte Aufgaben. Am häufigsten übernimmt ein Ergänzungspfleger die Aufenthaltsbestimmung, die Gesundheitssorge und die Beantragung von Sozialleistungen, etwa Hilfen zur Erziehung. Es kann auch sein, dass er oder sie zum Beispiel nur für die Verwaltung des Vermögens bestimmt werden, während deine Eltern weiterhin für alles andere verantwortlich sind.
Eine Vormundschaft endet, wenn du volljährig bist, also das 18. Lebensjahr erreichst. Mit der Volljährigkeit giltst du in Deutschland als rechtsfähig und kannst deine Angelegenheiten selbst regeln. In besonderen Fällen, z.B. wenn du eine Behinderung hast, kann nach dem 18. Geburtstag eine rechtliche Betreuung eingerichtet werden.
Vormundschaften/Pflegschaften werden für Minderjährige eingerichtet, während gesetzliche Betreuer für Erwachsene bestimmt sind, die aus verschiedenen Gründen nicht in der Lage sind, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln.
Auch ist die Reichweite der Befugnisse bei einem gesetzlichen Betreuer anders als bei einer Vormundschaft geregelt. Ein Vormund übernimmt die Sorge in allen Bereichen für das Kind oder den Jugendlichen. Ein gesetzlicher Betreuer hingegen wird nur für bestimmte Aufgabenbereiche bestellt, wie z.B. die Verwaltung des Vermögens oder die Organisation der medizinischen Versorgung. Der gesetzliche Betreuer soll den Wünschen des Betreuten nach Möglichkeit Folge leisten und die Eigenständigkeit des Menschen so weit wie möglich erhalten, während der Vormund bei seinen Entscheidungen das Alter, den Entwicklungsstand und v.a. auch die Entwicklungsbedarfe des Minderjährigen im Blick halten und berücksichtigen soll.
In der Vormundschaft hast du Rechte! Dein Vormund ist dafür da, dich zu unterstützen und deine Interessen zu vertreten. Er muss dafür sorgen, dass es dir gut geht und du dich gut entwickeln kannst. Aber was bedeutet das eigentlich genau?
Hier sind einige deiner wichtigsten Rechte, etwas ausführlicher erklärt:
- Regelmäßiger Kontakt mit deinem Vormund: Du hast das Recht, deinen Vormund regelmäßig zu treffen und mit ihm zu sprechen. Das heißt, er muss Zeit für dich haben und sich deine Themen, Sorgen und Probleme anhören. (§ 1788 Nr. 3, 1790 Abs. 3 BGB)
- Respekt und Beteiligung: Dein Vormund muss dich und deine Meinung respektieren. Das heißt, er muss dir zuhören und dich ernst nehmen. Außerdem musst du an allen Entscheidungen beteiligt werden, die dein Leben betreffen, zum Beispiel, wenn es um deine Schule oder deinen Wohnort geht. (§ 1788, § 1790 BGB)
- Förderung und Unterstützung: Du hast ein Recht darauf, dass dein Vormund dich dabei unterstützt, selbstständig zu werden. Das bedeutet, dass er dir zum Beispiel bei Behördengängen hilft oder dir Tipps für deine Ausbildung gibt. (§ 1788 BGB)
- Wunsch- und Wahlrecht: Du darfst bei vielen Dingen mitentscheiden. Du kannst zum Beispiel mitbestimmen, wo du wohnen möchtest oder welche Schule du besuchst- sofern es dort einen freien Platz für dich gibt. Du kannst auch sagen, wenn dir etwas nicht gefällt.
- Schutz vor Gewalt: Dein Vormund muss dich aktiv vor Gewalt schützen. Er soll darauf achten, dass dir niemand wehtut, dich schlecht behandelt oder dir auf andere Weise schadet (§ 1788 BGB).
Wenn du Gewalt erfährst, muss dein Vormund schnell handeln: Er soll dir helfen, Unterstützung organisieren und – wenn nötig – das Jugendamt oder andere Fachstellen einschalten. Außerdem muss er sorgfältig abwägen, ob es notwendig ist, dass du an einem anderen, sicheren Ort untergebracht wirst.
Wenn dich das Thema noch genauer interessiert, wirf gerne einen Blick in die Broschüre “Dein Vormund vertritt Dich!”, dort findest du weitere Informationen.
Wenn deine Rechte nicht gewahrt werden, gibt es verschiedene Möglichkeiten, sich zu wehren und Hilfe zu suchen:
- Sprich mit deinem Vormund: Oft lassen sich Missverständnisse und Probleme durch ein offenes Gespräch klären. Versuche, deine Wünsche und Bedürfnisse klar zu formulieren und gemeinsam mit deinem Vormund nach Lösungen zu suchen. Wenn es dir hilft, kannst du zu einem Gespräch auch eine vertraute Person mitnehmen. (§ 1790 BGB)
- Suche Unterstützung bei einer Vertrauensperson: Wenn du dich mit deinem Vormund nicht einigen kannst oder Angst hast, mit ihm zu sprechen, kannst du dich an eine Vertrauensperson wenden. Das kann jemand aus deiner Pflegefamilie, deiner Wohngruppe, dem Jugendamt oder eine andere erwachsene Person sein, der du vertraust.
- Wende dich an eine Ombudsstelle: Ombudsstellen sind unabhängige Beratungsstellen, die dir helfen können, wenn du Stress mit der Kinder- und Jugendhilfe hast. Sie beraten dich kostenlos, unabhängig und vertraulich. Sie können dir auch bei Gesprächen mit Fachkräften helfen oder bei der Suche nach einer Lösung für dein Problem unterstützen. Da die Ombudsstellen meist viel um die Ohren haben, plane dort ein wenig Zeit ein, es kann sein, dass dir leider nicht direkt geholfen werden kann.
- Beschwerde beim Familiengericht: Wenn du mit deinem Vormund gar nicht zufrieden bist, kannst du dich beim Familiengericht beschweren. Das Gericht muss dich anhören und kann entscheiden, ob ein anderer Vormund für dich bestellt wird. Wir raten dir, das Familiengericht erst dazuzuziehen, wenn die anderen Schritte nicht geholfen haben.
Es ist wichtig, dass du deine Rechte kennst und dich für sie einsetzt! Du bist nicht allein und es gibt Menschen, die dir helfen können, wenn deine Rechte nicht gewahrt werden.
Wenn du mit deinem Vormund nicht zufrieden bist oder Probleme mit ihm hast, kannst du dich beschweren. Du kannst dich zum Beispiel an das Jugendamt, an das Familiengericht oder an eine Ombudsstelle wenden. Nützliche Anlaufstellen dazu findest du weiter unten!
Deine Meinung zählt! Sprich mit deinem Vormund über deine Wünsche und Bedürfnisse. Ihr solltet versuchen, Entscheidungen gemeinsam und möglichst im Konsens zu treffen. (§ 1790 Abs. 2 BGB)
Wenn du dich noch genauer informieren möchtest, schau gerne in die Broschüre “Stress mit der Jugendhilfe? Wege zur Ombudschaftlichen Beratung” ( OMBKJ-02336-Broschuere-Kinder-und-Jugendhilfe_RZ_Ansicht.pdf ), dort wird das Thema ausführlicher beleuchtet. Eine Auflistung einer Eine Ombudstelle in deiner Nähe findest du hier: Ombudsstellen (Ombudschaft in der Kinder- u. Jugendhilfe)
2. Workcamp
Vormundschaft neu denken!
In einem gemeinsamen Workshop von dem Bundesforum Vormundschaft, dem Sozialpädagogischen Fortbildungszentrum Berlin- Brandenburg und dem Careleaver e.V. haben wir uns 2024 aus verschiedenen Perspektiven mit dem Thema Vormundschaft beschäftigt. Schaut euch gern durch die Ergebnisse!
Ergebnisse World Café
Graphic Recording
In einem Workshop ist mit Hilfe von Graphic Recording von Imke Schmidt Sari ein Schaubild entstanden, das die Rechte von Kindern und Jugendlichen in der Vormundschaft zeigen soll.
Graphic Recording von Imke Schmidt Sari
Wie fühlt sich Vormundschaft aus Sicht von jungen Menschen an?
Podcast
Podcast Kinder- und Jugendhilfe im Fokus (KIU): Robin Loh spricht im Rahmen unseres Workcamps für eine Ausgabe des KIU Podcast mit der Vormundin Ines Klaffer und dem Sozialarbeiter Markus Kaiser darüber, was Vormundschaft ist, was Menschen, die als Vormund arbeiten wollen, mitbringen müssen – und wie aus ihrer Perspektive Vormundschaft heute umgesetzt wird.
Poetry-Slams
Wir haben in einem Workshop Poetry Slams verfasst, die eine kreative Beschreibung von Mündel und Vormund*in zeigen sollen. Klickt euch gerne durch!
Wir danken der Kurt und Maria
Dohle Stiftung für die Unterstützung dieser Veranstaltung.

Podcast : Und welche Erfahrungen hast du?
Angelina und Marco beantworten Fragen über ihre Erfahrungen mit Vormundschaft, und welche Art von Vormundschaft sie sich wünschen würden.
Literatur Vormundschaft / nützliche Links
Hier findet ihr einige nützliche Links oder Literatur zum Thema Vormundschaft !
Erklärvideo
Kinderbuch
Frau Frühling hat 30 Kinder
Ein Bilderbuch zum Thema Vormundschaft
Kinder können ganz unterschiedlich aufwachsen: bei ihren Eltern, in Wohngruppen, bei Pflegeeltern, Adoptiveltern, Großeltern, … Und manche Kinder haben einen Vormund oder eine Vormundin. In diesem Buch erfahren Kinder, was genau das eigentlich bedeutet. Was macht ein Vormund oder eine Vormundin? Wann bekommt man einen oder eine? Und wer darf dann was entscheiden?
Ein Buch von Claudia Gliemann, geschrieben in Zusammenarbeit mit Vormundinnen und Vormunden, die teilweise aus persönlicher Erfahrung wissen, wie es sich anfühlt, einen Vormund oder eine Vormundin zu haben. Für Kinder, denen es ganz genauso geht, wie ihnen früher. Illustriert von Natascha Berger.

Für Fachkräfte interessant:
Fach-Buch: „Vormundschaft: Sozialpädagogischer Auftrag. Rechtliche Rahmung. Ausgestaltung in der Praxis (2023)”
Broschüre: „Die große Vormundschaftsrechtsreform. Ein Materialienband für die Praxis (2022)” Bundesforum_Materialienband_Webversion.pdf
Checkliste: zum Übergang aus der Vormundschaft heraus. Uebergangsworkshop_4_Checkliste.pdf
Das Bundesforum Vormundschaft setzt sich dafür ein, dass junge Menschen, die einen Vormund oder Pfleger hatten oder haben, gut vertreten und unterstützt werden. Es bringt Fachleute zusammen, die sich für bessere Bedingungen in der Vormundschaft stark machen – damit eure Rechte gewahrt bleiben und ihr die Hilfe bekommt, die ihr braucht.