Die Angst zu versagen bleibt
Pauls Geschichte
Meine Eltern waren sehr jung als ich geboren wurde. Meine Mutter war 19, mein Vater 21, und mit 23 hatte meine Mutter dann schon vier Kinder. Also ich bin der Älteste von vier und meine Eltern hatten beide sehr schwierige Kindheiten und ein schwieriges Verhältnis zu ihren Eltern. Da war viel mit Alkohol und Gewalt und das hat sich dann auch ein bisschen in meiner Familie fortgesetzt. Mein Vater war Alkoholiker und gewalttätig und als ich dann sieben oder acht war, hat sich meine Mutter letztendlich scheiden lassen, was auch die richtige Entscheidung war. Und da war sie halt mit 26 Jahren und vier Kindern alleine.
Ich war dann schon in der zweiten Klasse. Das sind schon schwierige Umstände. Für meine Mutter selbst war das schon eine sehr überfordernde Situation. Sie hat schon auch noch nach uns geguckt und sie war auch sehr super organisiert. Nach außen hin hat alles super funktioniert. Aber diese psychische Überforderung war bei ihr schon da sehr sehr stark. Auch das Umfeld war einfach sehr schwierig für meine Mutter. Dazu kommt noch, dass wir relativ oft umgezogen sind. Ich war auf drei verschiedenen Grundschulen und letztendlich noch zwei Gymnasien. Das zweite Gymnasium war dann das, wo ich zur 8. Klasse in die Wohngruppe gewechselt bin.
Dass ich überhaupt ausziehen konnte, da hatte ich schon viel Glück. Ich hatte immer Menschen in meiner Umgebung, die mich unterstützt haben. Ich denke, das ist ein ganz wichtiges Kriterium, wenn man aus schwierigen Verhältnissen kommt. Dass man quasi Menschen hat, die so an einen glauben, sag ich mal. Die einen unterstützen und einem helfen.
Ein halbes Jahr bevor ich ausgezogen bin, hab ich mich so ein bisschen unserer Familienhelferin anvertraut und hab ihr erzählt, wie es Daheim zu Hause so ist. Dass es mit meiner Mutter schwierig ist und dass ich es kaum aushalte daheim. Dann war da noch die Mutter von einem guten Freund. Die ist auch Sozialpädagogin und die ist dann zum Jugendamt und hat denen das erzählt. Bei den Gesprächen hätte ich eigentlich dabei sein sollen, aber hab mich dann doch nicht getraut. Aber so wurde hinterrücks von meiner Mutter ein Gespräch mit mir zusammen organisiert, bei dem ihr eröffnet wurde, dass ich ausziehen will. Meine Mutter war total sauer, aber ich war froh da raus zu sein.
In der Wohngruppe ging es mir sehr gut, von Anfang an. Ich hab da fünf Jahre lang gewohnt und mich immer sehr wohl gefühlt.
In der Schule war es erstmal schwierig. Also ganz schwierig sogar. Das ist eine andere Geschichte. Ich wurde sehr gemobbt und war sehr ein Außenseiter. Es ging so weit, dass ich psychosomatische Probleme gekriegt hab, mit meinem Magen. Also die 8./ 9. Klasse war nicht so einfach. Aber dann wurde es auch immer besser in der Schule. Gegen Ende, die Oberstufe war super. Ich hatte am Ende der 12. Klasse einen Schnitt von 1,8 und war dann auch Vertrauensschüler.
Der Plan war eigentlich, dass ich bis zum Abitur in der WG wohnen bleib. Aber in der 12. Klasse wollte ich dann selber irgendwie einen Schritt weitergehen und alleine wohnen. In dieses betreutes Wohnen, wo ich einen Betreuer hatte, der einmal die Woche vorbei geschaut hat. Ich war ja dann knapp 19 und es ist schon alles sehr reglementiert in der WG. Und da bin ich ausgezogen, in eine eigene Wohnung. Zur 13. Klasse, also ich hatte noch ein Schuljahr, Das war auch sehr cool. Ich mein, ich war der einzige, der eine eigene Wohnung hatte, zu Schulzeiten. Das war auf jeden Fall sehr cool. Dann hab ich meinen Zivildienst gemacht, nach´m Abitur und war dann in Australien back-packen. Ich hab viel gearbeitet und das zusammen gespart und selbst finanziert.
Meine Eltern sind beide Hartz IV-Empfänger. Mein Vater ist immer noch Alkoholiker. Es war finanziell immer schon so, dass ich da keine Unterstützung bekommen konnte. Irgendwie eher anders rum. Bis heute ist es so, dass ich meiner Mutter was zuschieße. Also eher anders rum, weil ich ein besseres Einkommen hab durchs jobben. Nach Australien hab ich ein Studium aufgenommen. Zwischendrin hab ich noch ein Auslandssemester gemacht, auch wieder in Australien. BAFöG sei Dank. ((lacht dezent))
Also ich muss wirklich sagen, dass ich da sehr froh bin über die Strukturen in Deutschland, die sind letztendlich gar nicht so schlecht. Ich war schon mit fünf Jahren bei einer Heilpädagogin wegen der familiären Situation. Das hat mir sehr gut getan. Dann gab es noch ein anderes Therapieangebot, die Wohngruppe, die ja über fünf Jahre lang ich weiß nicht wie viele 100.000 Euro das gekostet hat, und da meine Eltern kein Einkommen haben, kriege ich von Anfang an beim BaFög den Höchstsatz. Das Auslandssemester wurde bezahlt, von den Studiengebühren über den Flug, also die haben echt alles bezahlt. Das war echt voll gut. Insofern bin ich ganz dankbar, dass es irgendwie diese Strukturen gibt, obwohl mir bewusst ist, dass viel zu wenige die in Anspruch nehmen.
Die ersten vier Jahre im Studium kam ich mir immer ein bisschen fehl am Platz vor. Ich war immer gut, also gerade im Grundstudium. Trotzdem hab ich immer das Gefühl, ich pack das nicht, ich schaff das nicht und ich kann das nicht und falle durch. Ich hab da immer so diese essentiellen Ängste, dass ich das irgendwie einfach nicht schaff. Das zieht sich leider bis heute so durch.
Ein Examen habe ich schon gemacht. Dieses Jahr kommt das zweite. Mal sehen wie es weitergeht. Ob ich wirklich Lehrer werde…