Die Suche nach Heimat
Kiras Geschichte
Schon der Auszug aus der Wohngruppe fiel mir sehr schwer. Anfangs war für mich jede neue Lebenssituation aufregend. Als ich mich in die Wohngruppe eingelebt hatte, wurde es für mich immer schwieriger, z.B. die Auseinandersetzung mit Problemen und die Aufarbeitung meiner Vergangenheit. Dann wurde es aber besser, mir wurde viel zugetraut und ich habe mich sehr wohlgefühlt.
Der Einzug in meine erste eigene Wohnung stand bevor und ich hatte Angst, Angst selbstständig zu werden und allein zu sein. Doch es war leichter als gedacht. Auch in meine neue Wohnung habe ich mich schnell eingelebt und das eigenverantwortliche Leben hatte ja auch Vorteile. Das ist nun alles lange her. Ich bin jetzt fünfundzwanzig Jahre alt. Mit vierzehn zog ich in die Wohngruppe und fast neunzehn war ich, als ich dort auszog. Ich weiß zwar noch, wie ich mich damals fühlte, dieses Gefühl ist nun jedoch auch weit entfernt von mir. Womit ich mich jedoch auch heute noch emotional verbunden fühle, ist die Situation meines ersten Umzugs in eine andere Stadt. Zwanzig war ich als klar wurde, ich studiere und zwar in einer Stadt entfernt von meinem damaligen Wohnort liegend.
Die Wohnungssuche fiel mir noch leicht, da ich den Zeitpunkt meines Umzugs gedanklich in die Ferne schob. ,,Ich habe doch hier meinen Freund und viele Freunde; endlich ein Ort an dem ich mich wohlfühle und nun wieder weg?!Wie wird es mit meinen bisherigen Freunden weitergehen, besteht weiterhin Kontakt?„ Wieder war ich sehr unsicher und ängstlich. Ich wusste, ich studiere und ziehe dafür um (einen Weg zu beginnen und nicht zu Ende zu gehen kam für mich nicht in Frage). Aber die Unsicherheit war da. Und sie bestätigte sich. Mir fiel das Studieren sehr leicht aber ich nahm außer zu einigen wenigen kaum engen Kontakt zu meinen Kommilitonen auf. Denn ich fühlte mich dort wie auf dem Sprung. Zwar versuchte ich, durch das Nachgehen meiner Hobbies einen Teil meines Lebensinhalts an meinen Studienort zu bringen, doch ich war unter der Woche nur so lange wie nötig dort. An verlängerten Wochenenden besuchte ich meinen Freund oder meine Pflegeeltern (bei denen ich eineinhalb Jahre lebte und welche für mich wie eine zweite Familie waren und sind).
Bei meinen Kommilitonen war das anders; sie waren froh von zu Hause weg zu sein, denn für viele war das Studium der erste Schritt in die Selbstständigkeit und in die Abgrenzung vom Elternhaus. Ich denke, man lernt das zu schätzen, was man nicht hat, wenn man es hat. Als Kind Bindungsabbrüchen ausgesetzt zu sein, macht einen sensibler für den, teils schwierigeren, Aufbau und Erhalt Sozialer Beziehungen. In stationären Jugendhilfeeinrichtungen aufzuwachsen kann bedeuten, entweder viele oder ggf. irgendwann auch keine gefühlte Heimat zu haben. Ich habe mittlerweile das Gefühl knapp zwei Jahre nach meinem Studium angekommen zu sein, aber ich denke noch gelegentlich daran, dieses Gefühl in meinem Studium und teils auch davor nicht gehabt zu haben und ich glaube, fielen aus meinem Umfeld fiel dies leichter.